Die Preise des Filmfest SH 2025
Gesa-Rautenberg-Preis
Den Gesa-Rautenberg-Preis für den besten Langfilm vergab die Jury (Cuyén Biraben, Ole Elfenkämper, Annette Schneidemesser) an „Manchmal denke ich plötzlich an dich.“ von Lynn Oona Baur.
Der Preis von 2.000 Euro wird durch Filmkultur SH e.V. und die Familie Rautenberg gestiftet. Die Trophäe wurde vom Künstler Jo Kley gestaltet.
Synopsis:
Lilith und Freund Adam machen Urlaub auf Hallig Hooge. Für Lilith wird der Tripp zur (alb-)traumhaften Gedankenreise, auf der sie sich mit ihrem Selbstverständnis als Frau und Mutter, einer mysteriösen Frau im Friesennerz und dem Mädchen Lulu auseinandersetzen muss.
Jurybegründung:
„Mit ihrem Debütfilm „Manchmal denke ich plötzlich an dich.“ schenkt uns Lynn Oona Baur eine ungeschönte Erzählung über Mutterschaft – ein Film, der überrascht, verstört und zutiefst berührt.
Die Kamera beobachtet mit einer ruhigen, fast zärtlichen Distanz. Sie lässt Raum für Zwischentöne, für Zweifel, für zögerliche Gesten und leise Gedanken. So tastet sich der Film an das heran, was so oft hinter „Mutterschaft“, „Frau sein“, oder „Erfüllung“ verschwindet – an das Unausgesprochene, das Widersprüchliche, das nicht Repräsentierte.
„Manchmal denke ich plötzlich an dich“ ist ein Film über das Dazwischen: zwischen Vorfreude und Überforderung, zwischen Intimität und Isolation, zwischen Selbstbehauptung und Fremdbestimmung. Es ist ein zutiefst persönliches Werk – und zugleich ein politisches. Denn Lynn Oona Baur zeigt Mut, sich einem Thema zu nähern, das oft nur klischeebehaftet oder überhöht erzählt wird.“
Preis und lobende Erwähnungen für den besten mittellangen Film
Der Preis für den besten mittellangen Film ging an „Mama Micra“ von Rebecca Blöcher.
Der Preis von 1.000 Euro wird durch ComLine AV-Distributor und das Filmfest SH gestiftet. Die Trophäe wurde vom Künstler Jo Kley gestaltet.
Synopsis:
Meine Mutter führte ein sehr unorthodoxes Leben, sie lebte in Palästen und unter Brücken. Ihre Unabhängigkeit war ihr am wichtigsten, was ihr am Ende zum Verhängnis wurde. Sie beschloss, zehn Jahre lang in ihrem winzigen Auto zu leben. Erst als das Auto kaputt ging und sie nicht einmal mehr laufen konnte, hatten wir die Chance, wieder Kontakt aufzunehmen.
Jurybegründung:
Was bedeutet Erinnern, wenn die Biografie voller Lücken ist? Wenn das eigene Leben eng verwoben ist mit einer Figur, die sich nie fassen ließ?
„Mama Micra" von Rebecca Blöcher findet dabei eine sehr berührende filmische Sprache, um diese Fragen zu stellen: Zwischen persönlichen Foto- und Tonbandaufnahmen und magischen Stop-Motion-Animationen – erzählerisch dicht und zurückhaltend zugleich – bewegt sich der Film durch das schwierige Terrain einer von Abwesenheit geprägten Mutter-Tochter-Beziehung.
„Mama Micra" ist kein lauter Film, sondern einer, der bleibt – weil er eine persönliche Geschichte erzählt und dabei Fragen von Befreiung und Identität aufwirft, für viele Frauen der damaligen wie der heutigen Generation.
Dieselbe Jury verlieh auch zwei lobende Erwähnungen und den Preis für den besten mittellangen Film:
"Onkels und ich" von Klaus Hoefs
Jurybegründung:
Ein poetisch-surrealer Sommer voller heimlicher Allianzen, schräger Rituale und absurder Realität. Klaus Hoef Animationsfilm brilliert durch sein Handwerk. Erzählt mit feinem Humor und liebevollem Blick vom Aufwachsen zwischen Dachsjagd, Mikrowelle und dem hinaustreten in die Welt.
"Flut und Ebbe" von Janis Westphal:
Jurybegründung:
Mit großer Zurückhaltung und feinem Gespür für Atmosphäre erzählt Janis Westphal ein stilles Drama über Verlust, Freundschaft und das Schweigen dazwischen. Vor der Kulisse rauer Küstenlandschaften und mit eindrucksvoll authentischem Szenenbild entfaltet sich die Geschichte zweier Krabbenfischer, die auf offener See mit dem feststecken, worüber sie an Land nie sprechen konnten.
BLICKFANG: Bester experimenteller Film
Die BLICKFANG-Jury (Annett Stenzel, Sander Wolfgang Schaper, Prof. Annika Larsson) verlieh den Preis für den besten Experimentalfilm an „Winter Portrait“ von Fernando Saldivia Yáñez.
Der Preis von 500 Euro durch Filmkultur SH e.V. gestiftet. Die Trophäe „Blickfang" wurde gestaltet von der Künstlerin Katharina Linke.
Synopsis:
An einem nebligen Nachmittag kehrt ein Mapuche-Paar zu seinem Hochzeitsvideo zurück. Bei ihrer standesamtlichen Zeremonie sind sie eines von nur zwei Paaren, die in der indigenen Sprache Mapudungun geheiratet haben.
Jurybegründung:
„In der Jury wurden miteinander Parameter verhandelt, was zeitgenössischer Experimentalfilm aktuell ist, was er war und was experimenteller Film visionär zukünftig sein kann: Er kann vor allem eine Art Öffnung sein: Eine Öffnung mit Einschlüssen und Ausschlüssen, Wärme und Integrität, ein Gefühl von „zu Hause zu sein“ vermittelnd und gleichzeitig bildlich bewusst einen Standpunkt setzend, spielerisch mit dem Zuschauer umgehend; ein direkter Film sein und subversiv Gefühle vermitteln, Sprünge, Ecken und Kanten haben und dabei dringende Fragen von und nach Sichtbarkeit, Nichtsichtbarkeit, Themen wie Existenz und Nichtexistenz behandeln. Die Jury vergibt den Preis deshalb an: „Winter Portrait“ von Fernando Saldivia Yáñez.
Der Film ist ein poetisches Portrait zweier Menschen, genauer gesagt ein Mapuche-Paar, die sich ihr Hochzeit nach einer langen Zeit auf Video wieder anschauen. Die Hochzeit ist deshalb so besonders, da sie als eine der wenigen Hochzeiten in der indigenen Sprache Mapudungun abgehalten wurde. Eine Sprache, von der im Film aber nichts zu hören ist. Auch ist es ein eigentlich intimer Moment voller Liebe, doch von der Liebe fehlt jede Spur. Alles was vom Freude erregenden Tag der Hochzeit übrig bleibt, ist am Ende ein einfacher Zeitungsartikel an der Wand. Ein kleiner und humorvoller Kommentar. Der Film wirft zahlreiche Fragen auf zu Identität, dem Vergessen, Liebe und Erinnerung, beantwortet sie nur bruchstückhaft und lässt die Betrachterinnen neugierig und nachdenklich zurück. Provokant verzichtet der Filmemacher auf großartige technische Inszenierungen und verlangt von den Betrachterinnen durch eine statische Kamera und direkten Sound höchste Aufmerksamkeit.“
Kurzfilmpreis
Den Kurzfilmpreis verlieh nach dem Kurzfilmabend am Samstag, 5. April das Publikum per Netzabstimmung an „Wale vs. Wildnis“ von Hanna Plaß.
Der Preis von 1.000 wird durch das Filmfest SH gestiftet. Die Trophäe wurde vom Künstler Jo Kley gestaltet.
Synopsis:
Ååle Elke wurde 1935 in die Weiten des friesischen Horizonts und mitten in den Faschismus geboren. Mittlerweile lebt sie allein in einem alten Bauernhof mit einem wunderschönen Garten, außer ihrem rechten Zeigefinger fehlt es ihr an nichts. Sie hat ihn im Kampf gegen den Maulwurf verloren, der Tag um Tag neue schwarze Löcher in ihren paradiesischen Garten wirft. So wird in diesem Western die Beziehung zwischen der früheren Schützenprinzessin und ihrem Erzfeind zu einer Metapher für den Umgang der vergessenen Generation mit Gefühlen und Erinnerungen. Ein dokumentarischer Kurzfilm über unsere Großmutter, auf Friesisch.
Des weiteren wurde folgende Filmpreise von Kieler Hochschulen im Rahmen des Filmfest SH an Student:innen verliehen:
Nichtsilberner Hering
Den Jahrespreis für eine filmische Arbeit der Muthesius Kunsthochschule ergab die Jury (Dr. Susanne Schwertfeger, Sander Wolfgang Schaper, Christian Mertens) an "19 GRAD" von Şeyda Okumuş.
Das Preisgeld in Höhe von 300 Euro wird von der Muthesius Kunsthochschule gestiftet.
Jurybegründung:
Die Jury würdigt mit dem Nichtsilbernen Hering 2025 einen Beitrag, der eine bemerkenswert künstlerische Reife zeigt und durch seine eigenständige Vision und tiefgründige Gestaltung besticht. Auch in der technischen Umsetzung überzeugt die Arbeit auf allen Ebenen. Minimalistische aber präzise Kameraarbeit mit wohlüberlegten Einstellungen, nuancierte Lichtgestaltung und der Rhythmus des Schnitts zeugen von souveränem Verständnis filmischer Mittel. Besonders hervorzuheben ist der Einsatz von Ton und Text, der sowohl gesprochenes als auch geschriebenes Wort wirkungsvoll in das Gesamtkonzept integriert und so zusätzliche Bedeutungsebenen eröffnet. In ihrer kreativen Dimension beeindruckt der Umgang mit dem Material – nicht bloße Illustration entsteht, sondern eine eigenständige künstlerische Transformation, die dem Ausgangsmaterial neue Facetten entlockt und die Protagonistin/Künstlerin als vulnerables Individuum offenlegt.
Diese Elemente machen den Beitrag zu einem kohärenten Gesamterlebnis. Für diese beeindruckende Leistung, zeichnet die Jury Şeyda Okumuş Arbeit 19 GRAD dafür mit dem Nichtsilbernen Hering 2025 aus.
Ehrenvolle Erwähnung für "Portal Port 2" von Waldemar Bauer
Jurybegründung:
In der Reihe der eingereichten Arbeiten sticht ein Werk hervor, die Jury möchte diesen Beitrag mit einer ehrenvollen Erwähnung würdigen. Dieser Film oszilliert souverän im Grenzbereich zwischen Abstraktion und Figuration, zwischen universellen Erfahrungen und individuellen Assoziationen, zwischen dem ‚flachen‘ Bewegtbild und mehrdimensionalen Erleben. Besonders beeindruckt hat uns die Arbeit mit dem Material, roh und authentisch, die Einbettung von Found Footage-Elementen in eine Kaleidoskop-artige Grundform sowie der händisch erzeugt wirkende Rhythmus. Hier zeigt sich eine fundierte Auseinandersetzung mit einer wichtigen Tradition der experimentellen Filmkunst und in seiner scheinbaren Einfachheit liegt eine bemerkenswerte Komplexität. Der Film wird seinem Titel Portal Part 2 in beeindruckender Weise gerecht. Er fungiert tatsächlich als Schwelle, fesselt das Auge und erlaubt dem Geist das Wandern. Die Jury spricht dem Film "Portal Part 2" von Waldemar Bauer die ehrenvolle Erwähnung im Rahmen des Nichtsilbernen Herings 2025 aus.
Peter-K.-Hertling-Preis
Der Fachbereich Medien und das Alumni-Netzwerk mediaproducer.net verliehen den Peter K. Hertling Filmpreis für herausragende studentische Filme in drei Kategorien an Studenten der Fachhochschule Kiel.
Corprate Video:
"Kielharmonia" von Jonathan Suchocki (Buch & Regie)
Kurzfilm:
"Stillstand" von Kiara Sophie Meschede (Regie)
Dokumentation
"Lagerkunst: Jens Martin Sørensen" von Daria Leßner (Regie)